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Presseinfo -
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G l ü c k u n d Z e i t "Es ist nicht
leicht, die Banalität des Guten zu akzeptieren" (1)
Diese Erkenntnis vertrat der Heidelberger Paartherapeut und Autor Arnold Retzer
jüngst in einem Zeitungsinterview der FAZ über die glückliche
Beziehung von Ehepaaren, die in der Akzeptanz der täglichen Sorgen glücklicher
wären, als einem unbestimmbaren Ideal oder einer vagen Vorstellungvon
Glück zu huldigen. Definiert man Glück aus philosophischer Sicht als
Zustand vollkommener Befriedigung und Wunschlosigkeit, ist die aufrichtige
Erfüllung dieser Offenbarung in den meisten Fällen unerreichbar.
Die Zeit hingegen ist messbar an der sichtbaren und bewusst wahrgenommenen
Veränderung des Entstehens, Werdens und Vergehens. Das Bewusstsein ist
die Voraussetzung, um die Veränderung den Fortgang der Zeit erkennen zu können.
Das macht es dem Menschen leichter, Zeit als subjektive Erfahrung beinahe
greifbar werden zu lassen, sogar dann, wenn es der Verlust ist, also die
Erkenntnis: Ich habe keine Zeit! Die trügerische und banale Darstellbarkeit
des Glücks findet man nur auf dem Rummel im Glücks- und Liebesbarometer,
das auf Wärme und Feuchtigkeit der aufgelegten Handflächen reagiert
und eher neue Wünsche weckt, als einen Zustand der Zufriedenheit erzielt.
Daher ist es kein Zufall, dass dasGlück konstant in einer Ausstellungsreihe
thematisiert wird, die im Jahre 2004 in Köln unter dem Titel "Inseln
des Glücks" begann, in Wiesbaden im Jahre 2006 die "Aspekte
der Ver-Dinglichung" unter der Überschrift "Glück und Konsum"
untersuchte und nun im Dortmunder Depot mit "Glück und Zeit"
eine neue künstlerische Herausforderung gefunden hat. Martina
Biesenbach, Hanfried Brenner, das Künstlerduo Haike Rausch und Torsten
Grosch (431art),Siglinde Kallnbach, Gudrun Löbig, Gabriele Luetgebrune, Marion
Menzel, Jürgen Raap, Christine Schlieker-Erdmann, Wolfgang Schmidt, Gine
Selle und Suse Solbach spürten mit ihren Arbeiten der Darstellbarkeit
von Glück und Zeit nach, schufen mit den unterschiedlichsten Ansätzen
und Materialien der Kunst einen gemeinschaftlichen Spannungsbogen, der vom
kurzen Glück im Imbissdes Mezopotamien Grill berichtet, persönliche
Schicksalsschläge verarbeitet, zauberkräftige Glücksbilder produziert,
Adoptionen einer verstoßenen und missachteten Pflanzenwelt vermittelt
und einem Gedicht Friedrich Hölderlins zu neuer Form verhilft.
Das Gefüge von Glück und Zeit ist in dieser Ausstellung inhaltlich eng
mit der Blüte der Vanitas-Darstellungen und der "Memento mori"-Thematik
des 17. Jahrhunderts verknüpft. Der unabwendbaren Vergänglichkeit
abzuringen, was im schnellen Fluss der weltweiten gesellschaftlichen Veränderung
kaum noch wahrgenommen wird, ist ein zentrales Anliegen dieses gemeinschaftlichen
Projektes. "Wehmir, wo nehm ich, wenn
" ruft Hölderlin in
Ahnung des unwiederbringlichen Verlustes. Wehe uns, die wir die Banalität
des Guten nicht zu schätzen wissen und einem zweifelhaften Glück
nacheifern, das uns bei aller Eile die Lebenszeit raubt. Andreas Schnieder
(1) Arnold Retzer, "Reine Liebe ist mit dem
Leben unvereinbar". Der Paartherapeut und Autor Arnold Retzer über
Verstand und Gefühl in der Ehe, das Schöne am Streit und den Segen
resignativer Reife, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 16. August
2009, Nr.33, S.47.
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